Was ist Schmähkritik – und welche Äußerungen fallen darunter?
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Kritik ist erlaubt – egal, ob im privaten Kreis, in den Medien oder Online. Persönliche Werturteile fallen unter die Meinungsfreiheit. Doch auch dieses Grundrecht hat seine Grenzen. Wenn die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, spricht man von Schmähkritik. Juristisch gesehen ist der Straftatbestand der Beleidigung erfüllt.
Doch welche Aussagen fallen unter Schmähkritik – und welche Aussagen werden von der Meinungsfreiheit geschützt? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Stattdessen kommt es auf den Einzelfall an. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, was Schmähkritik von erlaubten Meinungsäußerungen unterscheidet. Anschließend stellen wir einige der wichtigsten Gerichtsurteile genauer vor.
Schmähkritik – das Wichtigste in Kürze
Schmähkritik hat das Ziel, andere Personen in ihrer Ehre zu verletzen und herabzuwürdigen. Die Auseinandersetzung mit einem bestimmten Sachverhalt tritt in den Hintergrund.
Anders als eine Meinungsäußerung ist Schmähkritik nicht durch Art. 5 GG (Meinungsfreiheit) geschützt. Sie stellt eine Form der Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch) dar.
Laut Bundesverfassungsgericht ist der Begriff Schmähkritik eng auszulegen, da dadurch die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird.
Ob eine Äußerung unter Schmähkritik fällt, muss im Einzelfall entschieden werden. Eine pauschale Abgrenzung ist nicht möglich.
Relevant ist z. B., in welchem Kontext die Äußerung erfolgt, ob sie sich auf eine Person des öffentlichen Lebens bezieht oder ob die Menschenwürde verletzt wird.
Was ist Schmähkritik?
Eine genaue Definition des Wortes „Schmähung“ zu geben, ist nicht einfach. Mehr Aufschluss geben Synonyme. So setzt der Duden „Schmähung“ mit Begriffen wie „Beleidigung“, „Beschimpfung“, „Herabwürdigung“ und „Herabsetzung“ gleich.
Unter Schmähkritik fällt dementsprechend jede Äußerung, die die Ehrverletzung und Diffamierung anderer Personen zum Ziel hat. Damit ist der Straftatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB) erfüllt.
Fällt Schmähkritik unter den Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs 1 GG)
Art. 5 des Grundgesetzes schützt die Meinungsfreiheit: ein grundlegendes Recht in unserer demokratisch-freiheitlichen Gesellschaft. Absatz 1 legt fest:
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.“
Den hohen Stellenwert der Meinungsfreiheit betonte das Bundesverfassungsgericht mehrmals – z. B. im Jahr 1958 [BVerfGE 7, 198 (208)]. Im sog. Lüth-Urteil wurde festgelegt:
„Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt.“
Was ist eine Meinung?
Juristisch versteht man unter dem Begriff „Meinung“ ein subjektives Werturteil, das nicht dem Beweis zugänglich ist. Das heißt konkret: Eine Meinung kann weder falsch noch richtig sein. Sie gibt stattdessen lediglich das persönliche Empfinden einer Person wieder.
Wichtig ist die Abgrenzung zu Tatsachenbehauptungen. Diese sind nur zulässig, wenn sie sich belegen lassen. Behauptungen, die nicht bewiesen oder nachweislich unwahr sind und die Ehre einer Person verletzen, dürfen nicht verbreitet werden. Ansonsten wäre der Straftatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) erfüllt.
Wann wird die Meinungsfreiheit eingeschränkt?
Das Grundgesetz sichert die Meinungsfreiheit zu – schränkt dieses Recht jedoch dort ein, wo andere Interessen überwiegen. Darunter zählen nach Art. 5, Abs. 2 GG:
Vorschriften der allgemeinen Gesetze
gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend
Recht der persönlichen Ehre
Im dritten Fall spricht man auch vom Persönlichkeitsrecht. Wird dieses verletzt, kann die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden. Die Betonung liegt auf „kann“. Gerichte haben im Zweifelsfall die – nicht immer leichte – Aufgabe, beide Interessen gegeneinander abzuwägen. Was noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist, kommt also auf den Einzelfall und den speziellen Kontext an.
Wie unterscheidet sich Schmähkritik von zulässiger Kritik?
Andere Personen zu kritisieren, ist grundsätzlich erlaubt. Wäre dies nicht der Fall, müssten wohl 90 % aller Bewertungen im Internet gelöscht werden. Dasselbe gilt für Medienbeiträge, Bücher, Kunst etc. Meinungen dürfen ironisch und überspitzt formuliert werden, ohne aus dem Schutz der Meinungsfreiheit zu fallen.
2020 betonte das Bundesverfassungsgericht:
„Grundrechtlich geschützt sind insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts.“ (BVerfG, Beschluss vom 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19)
Allerdings gibt es eine wichtige Abgrenzung zwischen Meinungsfreiheit und Schmähkritik: Bei Schmähkritik ist kein Sachbezug erkennbar. Die Äußerung zielt nicht auf die Auseinandersetzung mit einer Sache ab, sondern hat lediglich das Ziel, eine andere Person in ihrer Ehre zu verletzen.
Um es anders auszudrücken: Schmähkritik verletzt das Persönlichkeitsrecht, in dem sie Menschen kränkt und diffamiert. Sie bezieht sich auf die Person selbst, nicht auf deren Verhaltensweise oder einen sonstigen Sachverhalt.
Wie unscharf die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Schmähkritik sein kann, zeigen exemplarisch folgende Gerichtsurteile:
Wann zählt eine Äußerung als Schmähkritik? Beispiele
Damit eine Meinungsäußerung als Schmähkritik eingestuft wird, müssen strenge Anforderungen erfüllt sein. Nur dann wird die Meinungsfreiheit eingeschränkt – wie z. B. in diesen Fällen:
Schmähung einer Fernsehmoderatorin (1963)
1963 wurde die Fernsehmoderatorin Dagmar Berghoff von einem Magazin als „ausgemolkene Ziege“ bezeichnet. Dieser wenig schmeichelhafte Tiervergleich überschritt laut Bundesgerichtshof die Grenze zur Schmähkritik. Da der Verfasser nicht das Verhalten der Moderatorin, sondern die Moderatorin selbst bzw. deren Aussehen kritisiert hatte, war kein Sachbezug gegeben. Laut Bundesgerichtshof lag Schmähkritik vor. Die verantwortliche Zeitschrift wurde zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet (siehe Urteil des BGH 03/1963 – VI ZR 55/62).
Kritik an Thilo Sarrazin (2013)
Thilo Sarrazin gehört nach wie vor zu den kontroversesten Politikern Deutschlands. Eine Schmähkritik der Zeitschrift taz ging dem Landgericht Berlin jedoch zu weit. In einem Artikel wünschte der taz-Journalist Sarrazin, „der nächste Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten.“ Das Landgericht sah den Politiker in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und verbot der taz, die Äußerung zu wiederholen (siehe LG Berlin, 15.08.2013 - 27 O 183/13).
Bezeichnung von Mitbewerbern als Scharlatane (2009)
2009 hatte ein Online-Coach in seinem Newsletter vor „Scharlatanen auf dem Coaching-Markt“ gewarnt. Die zwei genannten Mitbewerber klagten dagegen vor dem Landgericht Köln – mit Erfolg.
Das Gericht betonte, dass die Äußerung des Coaches zwar eine Meinung darstelle und nach Art. 5, Abs. 1 GG geschützt sei. Verboten seien jedoch „Meinungsäußerungen, die einen Wettbewerber ohne sachlichen Grund pauschal abwerten.“ Wieder einmal war der Sachbezug entscheidend. Der Coach hatte nicht begründet, warum es sich bei den betroffenen Mitbewerbern um Scharlatane handelte. Daher lag Schmähkritik vor.
Dazu kam, dass die Äußerung im Rahmen einer Geschäftstätigkeit veröffentlicht wurde. Laut OLG Köln hatte der Coach sich durch die Diffamierung von Mitbewerbern selbst als besonders seriös dargestellt: ein Verstoß gegen § 4 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) (siehe Urteil des OLG Köln 09/2009 – 6 U 48/09)
Wann liegt KEINE Schmähkritik vor? Beispiele
Selbst drastische Kritik kann noch unter den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen. Das zeigen folgende Äußerungen, die nicht als Schmähkritik eingestuft wurden:
Dienstaufsichtsbeschwerde über eine Richterin (2014)
Hinter dem ersten Fall steht eine Dienstaufsichtsbeschwerde. In dieser wurde einer Richterin vorgeworfen, sie habe „schäbiges, rechtswidriges und eines Richters unwürdiges Verhalten“ an den Tag gelegt. Der Verfasser forderte darüber hinaus eine effiziente Bestrafung, damit die Richterin nicht auf die „schiefe Bahn“ gelange.
Es folgte eine Anklage wegen Beleidigung und ein Schuldspruch durch das Landgericht. Berufungsverfahren hatten nur zeitweise Erfolg. Das Urteil wurde schließlich vom Oberlandesgericht bestätigt. Dem Beschwerdeführer blieb nur eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht.
Dort bekam er recht. Das Bundesverfassungsgericht folgte einer engen Auslegung von Schmähkritik. Demnach war die Auseinandersetzung mit einem Sachverhalt vorhanden. Der Verfasser hatte seine Meinung zwar überspitzt formuliert und starke Worte gebraucht – die Richterin jedoch nicht persönlich angegriffen. Eine Diffamierung lag nicht vor. Stattdessen zielte die Kritik darauf ab, das öffentliche Verhalten der Richterin zu kritisieren.
Zitat: „Aus diesem Grund wird Schmähkritik bei Äußerungen zu Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren, nur ausnahmsweise vorliegen und im Übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben.“
Auch die Interpretation der vermeintlichen Schmähkritik durch das Landgericht hielt vor dem Bundesverfassungsgericht nicht stand. Der Vorwurf: Das Landgericht hatte die Äußerung „nicht auf die schiefe Bahn“ geraten, nur auf eine Art interpretiert, ohne andere Interpretationen zu berücksichtigen.
Weitere Gründe, die das Bundesverfassungsgericht gegen die Einstufung als Schmähkritik anführte, waren:
Der Verfasser hatte den Adressatenkreis seiner Beschwerde bewusst klein gehalten.
Der Verfasser hatte sich im „Kampf um Recht“ befunden. Es war ihm daher erlaubt, in dieser Auseinandersetzung „starke und eindringliche Ausdrücke“ zu gebrauchen.
(siehe BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2014 (1 BvR 482/13))
Kritik an einer Richterin (2019)
Einen ähnlichen Fall verhandelte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2019. Grund waren folgende Äußerungen eines Klägers über eine Richterin:
„Die Art und Weise der Beeinflussung der Zeugen und der Verhandlungsführung durch die Richterin sowie der Versuch, den Kläger von der Verhandlung auszuschließen, erinnert stark an einschlägige Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten.“
„Die gesamte Verhandlungsführung der Richterin erinnerte eher an einen mittelalterlichen Hexenprozess als an ein nach rechts-staatlichen Grundsätzen geführtes Verfahren.“
Das Amtsgericht sah die Ehre der Richterin schwerwiegend verletzt und verurteilte den Verfasser wegen Beleidigung. Laut Amtsgericht bezog sich die Äußerung auf die Persönlichkeit bzw. den Charakter der Juristin – ein klarer Fall von Schmähkritik.
Anders entschied jedoch das Bundesverfassungsgericht. Dieses sah den Sachbezug als gegeben, da der Verfasser sich auf die Prozessführung der Richterin – nicht die Richterin als Person oder deren Gesinnung – bezogen hatte. Auch der Vergleich mit nationalsozialistischer Rechtsprechung sei damit durch die Meinungsfreiheit gedeckt.
(Siehe BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2019, - 1 BvR 2433/17 -)
Bezeichnung eines Politikers als Dummschwätzer (2008)
Dass selbst der Ausdruck „Dummschwätzer“ unter die Meinungsfreiheit fallen kann, zeigt ein Urteil aus dem Jahr 2008. Ein Politiker, der einen Berufsgenossen mit diesem Wort bezeichnet hatte, wurde vom Amtsgericht Dortmund wegen Beleidigung verurteilt.
Das Bundesverfassungsgericht sah dies jedoch anders. Laut dessen Urteil ließ sich nicht klar feststellen, worauf sich der Begriff „Dummschwätzer“ bezog: auf den betroffenen Politiker als Person oder dessen verbale Äußerungen. Nur im ersten Fall könne von Schmähkritik die Rede sein. Das Amtsgericht hatte es versäumt, hierzu Feststellungen zu treffen. Aus diesem Grund musste das Urteil aufgehoben werden. Die Grenze zur Schmähkritik wurde laut Bundesverfassungsgericht nicht überschritten.
(Siehe BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2008, - 1 BvR 1318/07 -)
Abwertende Aussagen über eine Bundestagsabgeordnete (2024)
Hinter dem nächsten Fall stecken Äußerungen zu einer Bundestagsabgeordneten. In einem Video stellte ein Journalist das Geschlecht der Abgeordneten infrage, bezeichnete sie als „umoperierte[n] Typ“ und „es“.
Das Kammergericht Berlin urteilte wie folgt: Ja, es lag eine Ehrverletzung vor. Die Schwelle zur Straftat sei jedoch nicht überschritten worden. Es handelte sich laut Gericht nicht um Schmähung, sondern um eine noch erlaubte Meinungsäußerung.
Mit seinen Äußerungen hatte der Journalist laut Gericht nicht die Person selbst diffamieren, sondern sich lediglich an der Debatte über das Thema Geschlechtsidentität beteiligen wollen.
Ferner argumentierte das Kammergericht: Personen wie Politiker, die in der Öffentlichkeit stehen, müssen sich mehr Kritik gefallen lassen als Privatpersonen. Nicht zuletzt darum wurde das Recht auf Meinungsfreiheit in diesem Fall stärker gewichtet als das Persönlichkeitsrecht der Geschädigten.
(siehe KG Berlin, Urteil vom 29.01.2024, Az 2 ORs 38/23, 2 ORs 38/23 - 161 Ss 154/23)
Franz Josef Strauß – ein „Zwangsdemokrat“?
Dass sich Schmähkritik nicht nur gegen lebende Personen richten kann, zeigt ein Fall aus dem Jahr 1990. In einem Interview wurde der verstorbene Ministerpräsident Franz Josef Strauß als „Zwangsdemokrat“ bezeichnet. Das Landgericht München sah hierin die Schwelle zur Schmähkritik überschritten und ging von einer „vorsätzlichen Ehrkränkung“ aus.
Anders sah es das Bundesverfassungsgericht. Dieses hob das Urteil auf. Die Begründung: Schmähkritik lag nicht vor, da ein Bezug zur Sache gegeben war. Dass der Verfasser Franz Josef Strauß primär in seiner Ehre verletzen wollte, konnte das Bundesverfassungsgericht nicht aus der Äußerung herauslesen. Sie war daher durch die Meinungsfreiheit geschützt.
(Siehe BVerfG, Beschluss vom 26.06.1990 - 1 BvR 1165/89)
Was ist der Unterschied zwischen Schmähkritik und Satire?
Meinungsäußerungen in Form von Satire enthalten oft überspitzte Kritik – zum Unmut des/der Betroffenen. Gerichte wiederum müssen im Einzelfall entscheiden, wie weit Kunst gehen darf und wann die Grenze zur Schmähung überschritten ist.
Franz Josef Strauß-Karikaturen (1987)
Politiker werden aufgrund ihrer öffentlichen Position oft zur Zielscheibe für Spott und Satire. So erging es z. B. dem Bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. In einer Karikatur der Zeitschrift „konkret“ wurde Strauß als kopulierendes Schwein dargestellt.
Das Amtsgericht verurteilte den Künstler wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Dieses Urteil wurde auch vom Oberlandesgericht bestätigt. Die Kunst- und Meinungsfreiheit sahen Gerichte hier überschritten. Gründe waren u. a. die Assoziation des Ministerpräsidenten mit einem Schwein und die „Darstellung abwegigen Sexualverhaltens“. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte dieses Urteil (siehe BVerfGE 75, 369).
Der Fall Böhmermann (2016)
Der wohl prominenteste Fall von Schmähkritik ereignete sich 2016. Vor laufender Kamera trug der Künstler Jan Böhmermann ein sog. „Schmähgedicht“ auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor – und ging dabei nicht zimperlich vor. Unter anderem wurde Erdogan Gewalt gegen Frauen, Zoophilie und Kinderpornografie vorgeworfen.
Der türkische Präsident erstattete bei der Staatsanwaltschaft Mainz Anzeige wegen Beleidigung. Diese wiederum stellte die Ermittlungen ein. Laut Staatsanwaltschaft konnte Böhmermann nicht nachgewiesen werden, Erdogan persönlich beleidigen zu wollen. Das Gedicht sei ausdrücklich als satirische Zuspitzung zu werten.
Allerdings hatte eine darauffolgende Zivilklage Erdogans Erfolg. Das LG Hamburg verbot es Böhmermann, das Gedicht in Gänze zu wiederholen. Eine Verfassungsklage Böhmermanns vor dem Bundesverfassungsgericht wurde zurückgewiesen.
(siehe LG Hamburg, Urteil vom 10.02.2017 - 324 O 402/16)
Der Fall Alice Weidel (2017)
In einem Fall aus dem Jahr 2017 entschied der Gesetzgeber für die Kunstfreiheit. Das Satire-Magazin extra 3 hatte die AFD-Politikerin Alice Weidel als „Nazischlampe“ betitelt. Letztere strebte daraufhin eine einstweilige Verfügung gegen die Sendung an – ohne Erfolg. Relevant für die Entscheidung des LG Hamburg waren folgende Faktoren:
Es handelte sich eindeutig um Satire, die ihrem Wesen nach Übertreibungen enthält. Rufschädigung war nicht das Ziel der Sendung.
Als Person des öffentlichen Lebens muss Frau Weidel harte, überspitzte Kritik hinnehmen.
Extra3 nutzte den Begriff „Nazischlampe“ als Reaktion auf eine Äußerung Frau Weidels, in der diese sich gegen politische Korrektheit ausgesprochen hatte. Die Äußerung stellte demnach eine Auseinandersetzung mit einer Sache dar.
(Siehe LG Hamburg, Beschluss vom 11.05.2017 - 324 O 217/17)
Schmähkritik oder nicht – welche Kriterien ziehen Gerichte zurate?
Wie schon erwähnt, hängt die Entscheidung „Schmähkritik oder erlaubte Meinungsäußerung?“ vom Einzelfall ab. Dennoch zeigen Gerichtsurteile, dass sich einige Kriterien herauskristallisiert haben. Folgende Fragen spielen für die Strafbarkeit eine Rolle:
Liegt ein Sachbezug vor oder steht die Diffamierung der Person im Vordergrund? Dieser Sachbezug kann auch aus dem Kontext der Meinungsäußerung hervorgehen.
Apropos Kontext: Gerichte berücksichtigen, in welchem Rahmen die Meinungsäußerung erfolgt. Dazu gehört auch die Größe des Adressatenkreises und das Medium, in dem sie veröffentlicht wird.
Kann eine Äußerung auf mehrere Arten interpretiert werden? Dann müssen Gerichte diese Interpretationsmöglichkeiten berücksichtigen. Laut Bundesverfassungsmöglichkeit dürfen sie die Äußerung nicht einseitig zu Ungunsten des Verfassers auslegen.
Bezieht sich die Meinungsäußerung auf Personen des öffentlichen Lebens – z. B. Politiker und Politikerinnen? In diesem Fall darf sie schärfer bzw. polemischer ausfallen als bei Privatpersonen.
Tätigt der Kritiker die Äußerung „im Kampf um Recht“ – etwa, wenn das Verhalten von Richtern oder Staatsanwälten angeprangert wird? Dann sind auch überspitzte, harte Formulierungen erlaubt. Für Kritik im persönlichen Kontext („Privatfehden“) gelten strengere Maßstäbe.
Wird die Menschenwürde verletzt – etwa, wenn eine Äußerung den Lebenswert einer Person oder einer Personengruppe infragestellt? Solche Äußerungen sind nicht durch Art. 5 GG geschützt.
Enthält die Kritik nicht nur subjektive Werturteile, sondern auch Tatsachenbehauptungen, die andere Personen in ihrer Ehre verletzen? Dann kann der Straftatbestand der üblen Nachrede oder Verleumdung erfüllt sein, wenn die Behauptung nicht erwiesenermaßen wahr ist.
Können Verfasser von Schmähkritik wegen Beleidigung angezeigt werden?
Schmähkritik ist in Deutschland kein eigener Straftatbestand. Stattdessen erfüllt sie den Straftatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB). Dieser wird mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe geahndet.
Findet die Beleidigung durch Verbreiten eines Inhalts statt, verschärft sich das Strafmaß. Dann drohen bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe. Online-Bewertungen – etwa auf Google oder anderen Portalen – können dieses Kriterium erfüllen, da sie einem breiten Publikum zugänglich sind. Wie üblich muss jeder Einzelfall für sich betrachtet werden. Im Zweifelsfall entscheiden Gerichte, ob Schmähkritik bzw. Beleidigung vorliegt oder nicht.
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Wie Sie sehen, gilt der Schutz der Meinungsfreiheit nicht unbegrenzt. Auch Online-Bewertungen überschreiten oft die Grenze zur Schmähung. Eine Schädigung Ihrer Reputation müssen Sie nicht hinnehmen. Als Experten für Reputationsschutz beraten wir sie rechtlich und gehen für Sie gegen rufschädigende Bewertungen vor. Kontaktieren Sie uns noch heute und profitieren Sie von einer kostenlosen Erstberatung.
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