Google Bewertungen löschen mit einstweiliger Anordnung
Der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 9. Dezember 2022 (Aktenzeichen 405 HKO 19/22) bezieht sich auf die Frage der Löschung negativer Bewertungen im Internet und der rechtlichen Anforderungen an die Richtigkeit und Zulässigkeit solcher Bewertungen.
Zusammenfassung
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – wegen jeder Zuwiderhandlung untersagt, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland zu Wettbewerbszwecken die Dienstleistung der Löschung von negativen Bewertungen auf Bewertungsplattformen im Internet zu bewerben, wenn dies geschieht wie folgt:
a)
oder b)
oder c)
oder d)
2. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – wegen jeder Zuwiderhandlung untersagt, gegenüber den Betreibern von Bewertungsplattformen im Namen und im Auftrag von Dritten, Ansprüche auf Beseitigung von Bewertungen von Kunden geltend zu machen, sofern sich diese Tätigkeit nicht auf die bloße Weiterleitung von Beanstandungen beschränkt, die vom jeweiligen Auftraggeber selbst formuliert worden sind.
3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung bestimmter Werbeaussagen auf der Internetseite der Antragsgegnerin unter „www. ....de“ (LA 2 f., Anl. ASt 1) in Anspruch sowie wegen eines aus seiner Sicht unerlaubten Tätigwerdens im Markt für die Beanstandung bzw. Löschung von rechtswidriger Internet-Bewertungen auf Bewertungsportalen.
Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und bietet über die Internetseite „www. ... .de“ bundesweit Rechtsberatung im Bereich der Beanstandung und Löschung rechtswidriger Internetbewertungen für Unternehmen an.
Die Antragsgegnerin ist seit 2016 unter dem Aktenzeichen (05/16) als registrierter Rechtsdienstleister eingetragen und darf Rechtsdienstleistungen im Bereich der Inkassodienstleistungen erbringen. Sie bietet ihren Mandanten an, auf §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB fußende quasi-negatorische Ansprüche auf Löschung von rechtswidrigen für diese entgeltlich durchzusetzen. Dem Präsidenten des Kammergerichts als Aufsichtsbehörde wurde von der Antragstellerin mit Schreiben vom 20. April 2022 mitgeteilt, dass sie Löschungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB bezüglich Bewertungen auf Portalen wie G... etc. geltende mache.
Die Parteien sind der Auffassung, dass die Löschung rechtswidriger Bewertungen eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung ist.
Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 8. November 2022 (Anl. ASt 2) abgemahnt. Dort hat er die Auffassung vertreten, dass die Antragsgegnerin eine ihr nicht erlaubte Rechtsdienstleistung anbiete.
Mit Schreiben vom 21. November 2022 hat die Antragsgegnerin die Abmahnung zurückgewiesen. Sie ist der Auffassung, dass unter den Begriff der Inkassodienstleistungen nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung nunmehr die Durchsetzung zivilrechtlicher Haupt- und Nebenansprüche falle. Lediglich eine Verteidigung bzw. Abwehr von Ansprüchen werde nicht vom modernen Inkassobegriff umfasst.
II.
Der zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
1. Auch wenn der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nicht vollständig deckungsgleich mit dem Abmahnschreiben ist, war es ausnahmsweise nicht erforderlich der Antragsgegnerin vor dem Erlass der einstweiligen Verfügung rechtliches Gehör zu gewähren. Der Sachverhalt ist, wie sich aus dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 21. November 2022 ergibt, zwischen den Parteien unstreitig. Es geht letztlich nur um die Rechtsfrage, ob die entgeltliche Beanstandung und Löschung von rechtswidrigen Bewertungen vom Begriff der Inkassodienstleistungen umfasst wird. Dazu hat sich die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 21. November 2022 umfassend vorgetragen und ihre Rechtsauffassung unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung im Einzelnen dargelegt.
2. Dem Antragsgegner steht als Wettbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) gegen die Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 3a UWG wegen unerlaubter Rechtsberatung ein Anspruch auf Unterlassung ihrer gewerblichen Tätigkeit, Ansprüche auf Beseitigung von Bewertungen von Kunden gegenüber den Betreibern von Bewertungsplattformen im Namen und im Auftrag von Dritten geltend zu machen, sofern sich diese Tätigkeit nicht auf die bloße Weiterleitung von Beanstandungen beschränkt, die vom jeweiligen Auftraggeber selbst formuliert worden sind. Die von der Antragsgegnerin angebotene und erbrachte streitgegenständliche Dienstleistung, nämlich eine Rechtsberatung, ist eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG. Diese Rechtsberatung ist unlauter und damit unzulässig, weil die Antragsgegnerin § 2 Abs. 1 RDG zuwiderhandelt und dieser Verstoß auch spürbar ist (§§ 3 Abs. 1, 3a UWG).
a) Die Antragsgegnerin erbringt eine außergerichtliche Dienstleistung, die ihr nicht erlaubt ist (§ 3 RDG). Das Angebot der Antragstellerin ist keine Inkassodienstleistung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG, sondern eine Rechtsdienstleistung i.S.v. § 2 Abs. 1 RDG.
Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Eine Inkassodienstleistung ist nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird, einschließlich der auf die Einziehung bezogenen rechtlichen Prüfung und Beratung.
Die von der Antragstellerin angebotene Dienstleistung ist eine Rechtsdienstleistung i.S.v. § 2 Abs. 1 RDG. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass bei der von der Antragsgegnerin betriebenen gewerblichen Geltendmachung von Löschungsansprüchen ihrer Mandanten aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB bezüglich Bewertungen auf Portalen wie Google etc. in jedem Einzelfall eine eigenständige Prüfung erforderlich ist. Dieser Einschätzung folgt auch die Kammer. Es liegt auf der Hand, dass jede Bewertung jeweils auf ihren individuellen Aussagegehalt zu prüfen ist. Dann ist zu bewerten, ob es sich um unwahre Tatsachenbehauptungen oder Werturteile handelt, ob die Bewertung Schmähkritik oder Beleidigungen enthält sowie ob überhaupt ein Kundenkontakt stattgefunden hat oder das Unternehmen bzw. die Leistung schlecht bewertet wird, ohne dass erkennbar ist, dass ein solcher nicht stattgefunden hat (vgl. LG Hamburg, MMR 2018, 407 Rn. 36 ff. (juris)).
Diese Rechtsdienstleistung ist nicht zugleich eine Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG. Bereits der Begriff „Inkasso“ zeigt, dass eine entsprechende Dienstleistung mit dem Einziehen von Geld aus einer Kundenforderung zu tun haben muss. Nichts anderes meint der Begriff „Forderungseinziehung“ in der gesetztlichen Definition. In allen von der Antragsgegnerin aufgeführten Urteilen des Bundesgerichtshofs ging es stets auch um eine Geldforderung. Im Urteil vom 27. November 2019 (BGH, VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 ff., dort Leitsatz 5; vom Antragsgegner zitiert unter BGH NJW 2020, 208) hat der VIII. Zivilsenat den „Mietpreisrechner“ in direkten Zusammenhang mit Rückforderungen aufgrund der sog.
Mietpreisbremse zuviel gezahlter Mieten gesetzt. In der Entscheidung vom 8. April 2020 (BGH, VIII ZR 130/19, NJW-RR 2020, 779 ff. Rn. 1) wurden aus abgetretenem Recht der Wohnraummieterin gegenüber den beklagten Vermieterinnen wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB) Ansprüche auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete für zwei Monate geltend gemacht. Eine solche Rückzahlung war auch Gegenstand des Urteils vom 6. Mai 2020 (BGH, VIII ZR 120/19, BeckRS 2020, 11460 Rn. 1). Die Auslegung der Antragsgegnerin, dass die Durchsetzung sämtlicher zivilrechtlicher Haupt- und Nebenansprüche unter den Begriff Inkassodienstleistung falle, überschreitet demgegenüber die Wortlautgrenze. Die Geltendmachung von Löschungsansprüchen steht in keinem Zusammenhang mit der Einziehung einer Geldforderung.
b) Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 RDG ist auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. § 2 Abs. 1 RDG stellt neben einer Marktzutrittsauch eine Marktverhaltensregelung dar, da sie dem Schutz des Verbrauchers vor unqualifizierter Rechtsberatung dient (vgl. BeckOK UWG/Niebel/Kerl, 18. Ed. 1.10.2022, UWG § 3a Rn. 83 mwN). Mit Blick auf dieses Schutzgut ist der Verstoß auch spürbar, da eine unqualifizierte Rechtsberatung die Interessen von Verbrauchern erheblich beeinträchtigen kann. Mit ihrem bundesweiten Angebot im Internet wendet sich die Antragsgegnerin auch an einen großen Kundenkreis.
c) Es kann hier offenbleiben, ob ein Verstoß gegen ein Gesetz, das durch den Erlaubniszwang die Grenzen der Zulässigkeit des Wettbewerbs festlegt, stets ein wettbewerbswidriges Verhalten in Form des Vorsprungs durch Rechtsbruch darstellt und damit die Voraussetzung des § 4 Nr. 4 UWG erfüllt sind (so BeckOK RDG/Römermann, 23. Ed. 1.7.2019, RDG § 3 Rn. 16).
d) Die bloße Weiterleitung von Beanstandungen, die vom jeweiligen Auftraggeber selbst formuliert worden sind, war antragsgemäß von der Unterlassung auszunehmen, weil insoweit ersichtlich keine Rechtsberatung durch die Antragsgegnerin erfolgt.
3. Wegen ihrer unzulässigen Rechtsberatung steht dem Antragsteller gegen die Antragsgegnerin zudem der geltend gemachte Anspruch zu, eine weitere Bewerbung der Dienstleistung der Löschung von negativen Bewertungen auf Bewertungsplattformen im Internet zu unterlassen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.