Einstweilige Verfügung – so können Sie schnell gegen Bewertungen vorgehen
Lesedauer: 15 Minuten


Gerichtsverfahren sind oft langwierig. Bis alle Beweise gesichtet sind und das Urteil verkündet wurde, können mehrere Monate ins Land ziehen. Bei negativen, rechtswidrigen Bewertungen möchten viele Betroffene nicht so lange warten – verständlich. Genau für diese und ähnliche Fälle sieht der Gesetzgeber ein Eilverfahren vor: die einstweilige Verfügung. Damit lassen sich vorläufig Rechtsverhältnisse regeln und Ansprüche sichern.
In diesem Artikel erfahren Sie, was eine einstweilige Verfügung ist und wie sie beantragt wird. Wir stellen Fälle aus der Praxis vor. Außerdem zeigen wir Ihnen Mittel, um gegen eine einstweilige Verfügung vorzugehen.

Einstweilige Verfügung – das Wichtigste in Kürze
Als Eilverfahren bietet eine einstweilige Verfügung die Möglichkeit, Rechtsansprüche schnell durchzusetzen.
Dazu gehört z. B. der Anspruch auf Löschung einer rechtswidrigen Bewertung im Internet.
Der Antrag wird beim Gericht gestellt, das für die Hauptsachklage zuständig wäre.
Anders als bei einer Klage muss die Gegenpartei nicht zwingend angehört werden.
Auch die Beweislast des Antragstellers ist geringer.
Damit eine einstweilige Verfügung erwirkt werden kann, muss Dringlichkeit bestehen.
Eine einstweilige Verfügung ist vorläufig. Sie kann Rechtsverhältnisse aber auch dauerhaft festsetzen, wenn sie von der Gegenpartei akzeptiert wird (Abschlusserklärung).
Andernfalls kommt es zur Hauptsachverhandlung, in der das Gericht ein endgültiges Urteil fällt.
Was ist eine einstweilige Verfügung?
Eine einstweilige Verfügung ist ein Eilverfahren, mit dem sich vor Gericht ein Verfügungsanspruch durchsetzen lässt.
Wie der Name schon sagt, ist diese Verfügung „einstweilig“ – also vorläufig. Sie sichert den Anspruch, bis das Gericht eine endgültige Entscheidung trifft. Man spricht deshalb auch vom vorläufigen Rechtschutz.
Zum Einsatz kommen einstweilige Verfügungen vor allem, um Unterlassungsansprüche durchzusetzen. Das heißt, einer Person wird das weitere Ausführen einer rechtswidrigen Handlung (oder rechtswidriger Handlungen) verboten.
Darunter fallen z. B. Urheberrechts- und Markenverletzungen, Mobbing am Arbeitsplatz, aber auch rechtswidrige Kommentare im Internet. Richtet sich die einstweilige Verfügung gegen ein Presseorgan (z. B. eine Zeitung), kann sie auch einen sog. Gegendarstellungsanspruch durchsetzen. In dem Fall hat der Antragsteller das Recht, auf einen ihn betreffenden Artikel zu reagieren und seine Sicht der Dinge zu veröffentlichen.
Ausgeschlossen sind Ansprüche auf Geldforderungen. Nur die Zahlung von Unterhalt kann per einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden.
Wann kann eine einstweilige Verfügung beantragt werden?
Voraussetzung 1: Verfügungsanspruch
Eine Voraussetzung ist der Bezug zu einem Streitgegenstand. Antragsteller müssen glaubhaft machen, dass sie einen Verfügungsanspruch haben.
Im Kontext von Bewertungen rechtfertigen z. B. folgende Straftaten eine einstweilige Verfügung:
Beleidigung (§ 185 StGB)
Üble Nachrede (§ 186 StGB)
Verleumdung (§ 187 StGB)
Konkret heißt das: Wer im Internet ehrschädigende Tatsachen über ein Unternehmen verbreitet, muss diese Tatsachen belegen können.
Voraussetzung 2: Verfügungsgrund
Ebenfalls notwendig ist ein Verfügungsgrund: also die Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit.
Nach § 935 ZPO (Zivilprozessordnung) ist eine einstweilige Verfügung zulässig, „wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.“
Dies heißt: Der Antragsteller hat ein dringendes Interesse daran, dass der Rechtsverstoß beseitigt wird. Das Warten auf das Ergebnis der Hauptsachklage – welche sich immerhin mehrere Monate hinziehen kann – würde unzumutbare Nachteile bringen.
Aus genau diesem Grund gibt es Fristen für eine einstweilige Verfügung. Wusste der Antragsteller schon länger vom Rechtsverstoß, hat aber nicht reagiert, kann das Gericht den Antrag ablehnen. Für gewöhnlich beträgt die Frist maximal einen Monat.
Voraussetzung 3: Glaubhaftmachung
Im Vergleich zu Klagen gilt für einstweilige Verfügungen eine geringere Beweispflicht. Das heißt: Der Antragsteller muss nicht beweisen, dass sein Anspruch besteht – sondern diesen Anspruch lediglich glaubhaft machen.
Ein Beispiel aus dem Bewertungs-Kontext könnte so aussehen:
Unternehmen A wird auf Google negativ bewertet. Die Bewertung enthält unwahre, ehrschädigende Tatsachen. Da solche Bewertungen rechtlich verboten sind, hat das Unternehmen einen Anspruch auf Unterlassung und kann diesen Anspruch per Eilverfahren durchsetzen. In diesem Beispiel könnte ein Screenshot der Bewertung als Nachweis erbracht werden.
Weitere mögliche Beweise sind:
Urkunden
Zeugenaussagen
eidesstattliche Erklärungen
Wie funktioniert der Erlass einer einstweiligen Verfügung?
Wer eine einstweilige Verfügung durchsetzen will, muss den Verfügungsantrag schriftlich beim zuständigen Gericht stellen.
Dieses erlässt die einstweilige Verfügung. Es „bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.“ (§ 938 ZPO) Die Entscheidung kann in vielen Fällen ohne Anhörung des Antraggegners erfolgen, was Zeit spart.
Hat die einstweilige Verfügung Erfolg, wird der Antraggegner verpflichtet, das rechtswidrige Verhalten zu unterlassen. Andernfalls drohen Konsequenzen: Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 Euro oder maximal 6 Monate Ordnungshaft.
Die Zustellung der einstweiligen Verfügung erfolgt durch das Gericht an den Antragsteller. Dieser muss diese sog. Zustellungsurkunde dann der Gegenseite zukommen lassen. Das ist per Gerichtsvollzieher möglich. Alternativ kann die Zustellung von Anwalt zu Anwalt erfolgen.
Die Gegenseite kann die einstweilige Verfügung anerkennen und sich verpflichten, das rechtswidrige Verhalten zu unterlassen. In diesem Fall muss die Abschlusserklärung unterzeichnet werden. Der Rechtsstreit ist damit beendet.
Alternativ besteht die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Dann kommt es zur Hauptsachklage. Es kann jedoch auch sein, dass die einstweilige Verfügung selbst hinfällig wird: z. B., weil eine Änderung des Rechtsverhältnisses eintritt oder die Verfügung nicht fristgerecht an den Antragsgegner zugestellt wurde. Die Frist dafür beträgt einen Monat.
Beispiel: einstweilige Verfügung gegen Bewertungen
Nehmen wir an, Unternehmen A hat eine rechtswidrige Bewertung auf Google oder anderen Bewertungsplattformen erhalten. Das Unternehmen stellt den Antrag auf einstweilige Verfügung, der vom Gericht bewilligt wird. Die Gegenseite wird dann zur Löschung der Bewertung verpflichtet und darf diese auch in Zukunft nicht mehr veröffentlichen.
Beachten Sie: Nicht immer geben Gerichte dem Antrag auf einstweilige Verfügung statt. Das kann z. B. der Fall sein, wenn die Gegenseite die strafbare Bewertung bereits gelöscht hat. Auch die Wiederholungsgefahr muss berücksichtigt werden. Besteht kein Risiko, dass die Bewertung erneut abgegeben wird – etwa, weil das Konto des Verfassers auf Google, Tripadvisor etc. gar nicht mehr existiert – ist unter Umständen keine Eilbedürftigkeit gegeben. So entschied z. B. das OLG Bamberg 2024 (Az.: 6 U 42/23 e).
Auch das OLG Köln lehnte 2012 den Antrag auf einstweilige Verfügung ab. Streitpunkt in diesem Fall war eine eBay-Bewertung. Die Verkäuferin hatte den Verfasser der Bewertung auf Unterlassung in Anspruch genommen, worauf das LG Köln die einstweilige Verfügung erließ. Die Entscheidung wurde vom OLG Köln jedoch aufgehoben.
Ein Grund dafür: die Kommentarfunktion. Laut OLG habe die Antragstellerin ihre Rechte durch das Kommentieren der Bewertung wahren können.
Eine besondere Dringlichkeit war laut OLG auch nicht durch die negative Wirkung der Bewertung gegeben. Die Antragstellerin habe zwar Umsatz-Einbußen von 18,5 % erlitten. Diese wurden jedoch nicht als existenzgefährdend eingestuft und seien außerdem auf übliche Schwankungen zurückzuführen.
Ebenfalls gegen die Dringlichkeit sprach, dass die Antragstellerin bereits zuvor negative Bewertungen erhalten habe – gegen diese jedoch nicht rechtlich vorgegangen sei.
(vgl. OLG Köln, Urteil vom 08.03.2012 - 15 U 193/11 )
Wo muss der Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt werden?
Entscheidend ist die Frage: Welches Gericht wäre bei einer normalen Klage zuständig? Dies ist laut § 937 ZPO (Zivilprozessordnung) das Gericht der Hauptsache.
Bei Online-Bewertungen kommt außerdem der sog. fliegende Gerichtsstand infrage, da entsprechende Verstöße im Internet begangen werden. Das heißt: Geschädigten steht es frei, den Antrag bei einem Gericht ihrer Wahl zu stellen.
Allerdings spielt der Streitgegenstand eine Rolle. In manchen Bundesländern werden bestimmte Fälle nur von bestimmten Gerichten verhandelt. Eine Übersicht über die Zuständigkeiten finden Sie im Online-Portal GRUR.
Wie lange dauert der Erlass einer einstweiligen Verfügung?
Die Frage nach der Dauer hängt davon ab, wie das Gericht entscheidet. Zwei Möglichkeiten kommen infrage:
Beschluss ohne mündliche Verhandlung. Der Antragsgegner wird nicht angehört.
Urteil mit mündlicher Verhandlung. Der Antragsgegner wird angehört.
Gerichte machen häufig von der ersten Möglichkeit Gebrauch. Der Beschluss ergeht dann meist innerhalb weniger Tage. Bestehen jedoch Zweifel am Antrag oder drohen gravierende rechtliche Konsequenzen für den Antragsgegner, kann eine mündliche Verhandlung angesetzt werden.
Wer trägt die Kosten für eine einstweilige Verfügung?
Sind dem Antragsteller durch die einstweilige Verfügung Anwalts- und Gerichtskosten entstanden, muss die Gegenseite diese Kosten tragen – vorausgesetzt, die einstweilige Verfügung hat vor Gericht Erfolg.
Doch nicht immer ist der Antraggegner zur kompletten Zahlung verpflichtet. Auch eine Kostenquotelung ist denkbar. Die Prozesskosten werden dann anteilig auf beide Parteien umgelegt.
Benötige ich einen Anwalt für die einstweilige Verfügung?
Generell ist es möglich, eine einstweilige Verfügung ohne Anwalt zu beantragen. Es gibt jedoch Ausnahmen. Eine davon betrifft das Wettbewerbsrecht. Nach § 14 UWG sind nur die Landgerichte für Wettbewerbs-Streitigkeiten (z. B. Geschäftsschädigung oder unerlaubte Werbung) zuständig. Dort herrscht Anwaltszwang. Das heißt, Sie müssen sich zwingend von einem zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Dasselbe gilt, wenn das Gericht den Antrag auf einstweilige Verfügung zurückweist und Sie gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen möchten.
Wie kann ich mich gegen eine einstweilige Verfügung wehren?
1. Schutzschrift
Wenn Sie sich gegen eine einstweilige Verfügung wehren wollen, können Sie eine Schutzschrift einreichen. Sie bzw. Ihr Anwalt erklärt dann, welche Gründe gegen die einstweilige Verfügung sprechen. Die Schutzschrift wird vom Gericht geprüft, das anschließend entscheiden kann,
die einstweilige Verfügung nicht zu erlassen oder
eine mündliche Verhandlung anzusetzen.
2. Widerspruch
Ist die einstweilige Verfügung bereits in Kraft getreten, besteht noch die Möglichkeit des Widerspruchs. Es kommt dann zu einer mündlichen Verhandlung – jedoch nur, wenn diese nicht bereits vorher erfolgte. Der Gegner des Antragstellers hat dort die Möglichkeit, seine Sicht der Dinge darzulegen.
3. Berufung
Fällt auch die mündliche Verhandlung zu Ihren Ungunsten aus, können Sie in Berufung gehen – also eine weitere Instanz hinzuziehen. Diese wird dann das Urteil der Erstinstanz überprüfen und gegebenenfalls revidieren.
Was ist der Unterschied zwischen einer Abmahnung und einer einstweiligen Verfügung?
Auch Abmahnungen sind ein beliebtes Mittel, um Ansprüche auf Unterlassung durchzusetzen – z. B. wenn rechtswidrige Bewertungen im Internet entfernt werden sollen. Dabei müssen Abmahnende nicht den Umweg über ein Gericht gehen. Die Abmahnung wird stattdessen vom juristischen Vertreter (Anwalt) verfasst und der Gegenseite zugestellt.
Wichtigster Bestandteil ist die strafbewehrte Unterlassungserklärung. Mit ihrer Unterzeichnung verpflichtet sich die Gegenseite, das strafbare Verhalten zu unterlassen – und gleichzeitig die Anwaltskosten des Abmahnenden zu tragen. Für den Fall des Zuwiderhandelns wird eine Vertragsstrafe festgesetzt. Diese ist – anders als das oben erwähnte Ordnungsgeld – an den Abmahnenden zu zahlen.
Wie Sie sehen, unterscheidet sich eine Abmahnung von einer einstweiligen Verfügung. Allerdings geht erstere in vielen Fällen dem Antrag auf einstweilige Verfügung voraus. Das ist auch juristisch relevant. Ist keine Abmahnung erfolgt, sind Gerichte eher dazu geneigt, eine mündliche Verhandlung anzusetzen. Die Gegenseite soll so die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten. Gleichzeitig wird eine einstweilige Verfügung oft dann angestrebt, wenn die Abmahnung keinen Erfolg hatte – also die Gegenseite sie ablehnt oder nicht darauf reagiert.

Was ist der Unterschied zwischen einer einstweiligen Verfügung und einer einstweiligen Anordnung?
Eine einstweilige Verfügung hat das Ziel, Rechte und Ansprüche zu schützen.
Eng damit verwandt ist die einstweilige Anordnung. Allerdings versteht man darunter das Vorgehen gegen eine staatliche oder behördliche Entscheidung. Beispielsweise könnten Betroffene eine einstweilige Anordnung beantragen, wenn ihnen ein Kita-Platz verweigert wurde oder sie nicht zu einem Studium zugelassen wurden. Wie bei der einstweiligen Verfügung ist die Entscheidung vorläufig – also nur bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens gültig.
Die Zivilprozessordnung unterscheidet drei Arten der einstweiligen Anordnung:
Regelungsanordnung
Sicherungsanordnung
Leistungsanordnung
Einstweilige Verfügung beantragen – wir unterstützen Sie!
Sie möchten gegen eine negative Bewertung vorgehen? Dann sollten Sie juristische Hilfe in Anspruch nehmen. Als Rechtsanwaltskanzlei mit Fokus auf IT- und Medienrecht loten wir zusammen mit ihnen alle Möglichkeiten aus. So können wir auch eine einstweilige Verfügung beantragen und Ihnen schnell zu Ihrem Recht verhelfen. Kontaktieren Sie uns noch heute und profitieren Sie von einer kostenlosen Erstberatung.
Unser Team freut sich auf Ihre Anfrage.
E-Mail: reputation@dein-ruf.de
Tel. +49 (0) 30 29 68 11 18
WhatsApp: +49 160 97 21 12 27